Mein erstes Jahr als Veganerin

Dieser Blogbeitrag ist mittlerweile über 10 Jahre alt und ich bringe es ihn nicht über’s Herz ihn zu löschen. Er ist wie eine kleine Zeitkapsel für mich. Auch für dich wird er vielleicht lustig, interessant oder wenn du selbst schon so lang vegan dabei bist möglicherweise auch ein kleiner Trip Down Memory Lane sein. Also viel Vergnügen mit meinem Blast from the Past!

1 Jahr vegan!

Ich bin so stolz und verkünde es laut: ich lebe mit dem heutigen Tag seit einem Jahr vegan! Was für ein wunderbares Datum, wenn man bedenkt das heute am 1.11. Weltvegantag ist.

Wenn ich zurückdenke, was sich alles im vergangenen Jahr verändert hat, dann schießen mir so viele Gedanken durch den Kopf, dass sie sich kaum ordnen lassen. Ich habe es trotzdem versucht in Worte zu fassen und sehr offen darüber zu schreiben, um euch an meinen ersten 365 Tage als Veganerin teilhaben zu lassen...

Wie alles begann

Bevor ich beschloss mein Leben von nun an vegan zu leben, war ich bereits seit 12 Jahren Vegetarierin.

Damals hab ich nicht lange herumgefackelt und von einem Tag auf den anderen Fleisch von meinem Speiseplan gestrichen. Zum einen hat es mich vor Fleisch plötzlich angefangen zu ekeln und zum anderen hatte ich ein riesiges Problem mit Tiertransporten die mich irgendwie ständig verfolgten (den Rest habe ich bis vor einem Jahr weiter gut ausgeblendet). Fisch und Meeresfrüchte kamen mir sowieso nie auf den Teller und somit war ein erster Schritt in die richtige Richtung getan.

Meine ersten veganen Babysteps

12 Jahre lebte ich als Veggie dahin und stellte keine weiteren Fragen. Bis sich meine Freundin dazu entschloss vegan zu leben. Ich habe ihre Umstellung und neuen Lebensstil aus nächster Nähe miterlebt und ihr viele Fragen gestellt die ich schon wenig später selbst beantworten würde: "Was spricht gegen Bio-Freilandeier, da leben sie doch glücklich?", "Wie? Eine Kuh gibt nur Milch, wenn sie ein Kälbchen bekommt?", usw.

Was bin ich froh, dass ich Fragen gestellt habe und sie sich auch die Zeit genommen hat mir diese zu beantworten. Die ersten Schuppen von den Augen waren gefallen und den Rest habe ich, neugierig wie ich bin, sehr schnell selbst herausgefunden. Je mehr ich über das Wort "vegan" gelesen habe, desto logischer wurde dieser Lebensstil für mich und immer mehr verschwand auch der stereotypische Veganer, den man vor Augen hat. Da tauchen statt trockenem Hirsecouscous plötzlich 'Cheese'cake und Burger auf, statt Menschen im blutverschmierten Hasenkostüm finden sich erwachsene, trendbewusste, junge pflanzenfressende Menschen, vegane Schwangere, Kinder, Spitzensportler, Celebrities, Veganer:innen in allen Varianten.

Was ich hier weniger überspitzt sagen möchte: Veganer:innen kommen in allen Farben, Formen und Größen und plötzlich steckte auch in mir eine drin.

Mich hat das Thema Veganismus also immer mehr interessiert und ich habe mir zum ersten Mal die Zeit genommen, sämtliche Berührungspunkte zwischen Mensch und Tier in unserem heutigen Leben richtig zu hinterfragen.

Vieles wurde für mich objektiv betrachtet (und genau das ist bei Essen der kritischste Punkt) plötzlich völlig abstrus (Muttermilch von einem anderen Tier im Kaffee?) und zudem unerträglich eine Maschinerie & Lobby dieser Sorte noch mitzufinanzieren (Welches Schweinderl quatscht mit seinem Bauern und freut sich auf die Schlachtbank?).

“Ich habe mich somit entschieden dem ‘vegan sein’ eine Chance zu geben und mir die ersten veganen Babysteps in mein Leben geholt.”


Als erstes flog die Kuhmilch in meinem täglichen Kaffee. WARUM? Bei der riesigen Auswahl an Alternativen (Soja-, Mandel, Haselnuss-, Reis-, Hafer-, Kokosmilch und wie sie alle heissen) braucht man nur noch den Gaumen bestimmen zu lassen wie man seinen Latte am Liebsten trinkt. Auch in den meisten Kaffeehäusern steht ein Soy Latte am Menü und sonst darf es ruhig auch mal ein leckerer Tee sein.

Als nächstes war das Frühstücksei vom wochenendlichen Frühstückstisch wegradiert und seither nie wieder gesehen. WARUM? Dem folgte auch die "Veganisierung" meiner Naschereien und ein gezogener Schlussstrich unter Wolle, Leder und Daunen.

Dann kam der 1. November 2011 - Weltvegantag...

Nägel mit Köpfen oder ein besonders schlimmer realitätscheck

Meinen Blog Once Upon A Cream gab es auch schon ein Jahr bevor ich vegan wurde.

Da ich mich nun intensiv mit dem veganen Lebensstil auf allen Ebenen auseinandersetzte, beschloss ich anlässlich des Weltvegantags am 1. November 2011 einen Blogeintrag über vegane Beautyprodukte zu schreiben.

Im Zuge meiner Recherchen bin ich einem Link gefolgt und auf ein Undercover-Video über den Umgang von Mitarbeitern einer Milchfarm in Ohio mit neugeborenen Kälbchen gestoßen. Das war damals wohl das Näheste das ich an einem Nervenzusammenbruch herankam und diesen Abend möchte ich niemandem wünschen.

Ich war in einem absoluten Schockzustand, bin aufgesprungen und heulend in der Wohnung auf- und abgegangen bis ich schließlich meinen Freund auf einer Party angerufen habe und er sofort heim kam. In der Zwischenzeit habe ich den Mistkübel geholt und sämtliche nicht-veganen Lebensmittel heulend weggeschmissen. Das wollte ich nie wieder essen.

Da ich wusste, dass diese Tierquälerei und unfassbaren Zustände kein länderspezifisches Phänomen sind, sondern auch in Österreich auf der Tagesordnung stehen, stand mein Entschluss fest: ich probier's! Ich möchte 100 % vegan leben!


Wie ging es nun weiter?

Die ersten zwei Wochen waren von intensiver Informationsbeschaffung geprägt und wohl mit einer Ernährungsumstellung wie jeder anderen zu vergleichen.

Ich las viele Verpackungsaufschriften (endlich!), ging mit offenen Augen durch den Supermarkt, informierte mich viel über Inhaltsstoffe, Ernährung, Kosmetik & Co. und traf endlich wieder sehr bewusste und gezielte Kaufentscheidungen.

Jede Information war nur einen Klick entfernt und es war wirklich kinderleicht an sie heranzukommen. Ich musste nur endlich wollen und mich nicht hinter Bequemlichkeit oder faulen Ausreden verstecken.

Und was sagt die Familie dazu?

Die Entscheidung mein Leben ab sofort vegan zu leben betraf mich selbst natürlich am meisten. Überraschung! Aber auch Familie, Freunde und die Beziehung werden durch eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten gestreift.

Die anfänglichen Reaktionen waren sehr durchwachsen. Meine Freundin Maria machte Luftsprünge, meine Mama hingegen verstummte am Telefon und wechselte mit "Aha!" das Thema. Auch in meiner Beziehung (mein Freund war bis vor ein paar Monaten noch Fleischesser) gab es Diskussionen und anfänglich auch viel Unverständnis.

“Was mir zu Beginn besonders schwer fiel zu akzeptieren war, dass die Scheuklappen nicht bei jedem so abfielen wie bei mir.”

Nicht jeder wollte ebenfalls unbedingt wissen was mit den Tieren passiert. Welche Auswirkungen der massenhafte Konsum tierischer Lebensmittel auf die Tierhaltung, Umwelt und unsere Gesundheit hat. Es hat nicht bei jedem plötzlich "Klick!" gemacht und nicht jeder sah die Welt plötzlich auch so anders wie ich.

Mit der Zeit habe ich gelernt damit zu leben. Tolerieren wäre das falsche Wort, damit zu leben trifft es eher. Ich freue mich sehr, wenn mich Menschen offen und interessiert darauf ansprechen. Ich bemühe mich immer, Fragen zu beantworten und Ängste oder Unverständnis zu nehmen, obwohl es nicht meine Aufgabe ist die ganze Welt zu veganisieren. Ich habe aber auch gelernt, dass es Menschen gibt, die einfach nur provozieren möchten oder sich selbst auf den Schlipps getreten fühlen, wenn man das Wort vegan auch nur ausspricht. Hier diskutiere ich mittlerweile nicht mehr, außer ich hab gerade Lust darauf eine unsachliche Diskussion zum Frust abladen zu führen.

Jetzt sind allerdings bereits 365 Tage seit damals vergangen. So sieht mein Umfeld heute aus:

Meine Mama… kocht mittlerweile besser vegan als ich, schwirrt in allen möglichen veganen Foren herum, bestellt die veganen Onlineshops leer und pfeifft in Restaurants Kellner zusammen, wenn sie trotz vorausgegangener Anfrage nichts Veganes auftischen können.

Mein Papa… knabbert im Urlaub mit mir Nussmix & Mannerschnitten und wartet auf meine abendliche Bestellung, um dann "genau dasselbe" zu ordern. Er freut sich sogar so sehr über meine veganen Kochkünste, dass er zur Sojamélange gleich 3 Stück Kuchen verdrückt und mit seiner Kamera in den veganen Gulaschkochtopf mit einem lauten "Sensationell!" hinein fotografiert.

Mein Freund… sieht sich Jamie Olivers Hühnerhölle und Joaquin Phoenix's Earthlings an, sagt vor 2 Monaten zu seinem letzten Schnitzel laut Servus und lebt seitdem selbst vegan. Er veganisierte für das Weihnachtsgeschenk seiner Liebsten, also mich, sogar den Vogue-Schriftzug, verbannt Bienenwachs und Tierversuche aus seinen Haarpomaden und startet mit mir zu Bonnie & Clyde ähnlichen Aktionen um halbverhungerte portugiesische Pferde zu füttern.

Meine Freund:innen… Wie sich die Welt in meinem Freundeskreis verändert hat ist unglaublich. Aus 1 Veganerin und 2 Vegetarierinnen sind in einem Jahr 4 Veganer:innen und 5 Vegetarier:innen geworden. Bei unserem jährlichen Weihnachtsdinner werden vegane Menüs bestellt, am Partybuffet gibt es veganes Fingerfood und nächstes Jahr bin ich auf der ersten veganen Hochzeit zu Gast.

Meine Arbeitskolleg:innen… sind ein bunter Mix aus allem: meine vegetarische Kollegin isst mit mir mittags vegan und mein kettenrauchender, von Orangensaft und Salamipizza lebender Chef erklärt mir wie ungesund Pommes sind! Mit mir als Quotenveganerin wird über Abteilungsgrenzen hinaus allerdings angegeben und mein veganes Backwerk wird immer liebend gerne und völlig verblüfft verspeist.

Was gibt es zu essen?

Sagen wir mal so, es gibt nichts was es nicht gibt. Es gibt für JEDES Gericht eine vegane Variante - sei es Tiramisu, Fleischbällchen oder Käsetoast.

Ich habe durch das Leben als Veganerin meine Leidenschaft zu kochen und zu backen erst wirklich entdeckt. Es macht wahnsinnig Spass und beruhigt nach einem stressigen Tag (beides - das Kochen und der Cupcake danach!).

Ich probiere viele neue Gerichte aus, gehe öfter in Restaurants essen als je zuvor und auch verreisen ist kulinarisch äußerst spannend, denn die bereits bekannte Stadt wird plötzlich wieder komplett neu entdeckt und eine lange "Must eat"-Liste abgearbeitet!

Vegan zu leben muss nicht zwingendermaßen teuer sein. Meine Lebensmittel kaufe ich im stinknormalen Supermarkt und im Drogeriemarkt. Wenn es mal etwas Spezielles sein darf (wie ein leckeres Frühstückscroissant oder veganer Käse), dann geht es in den Biosupermarkt. Darüber hinaus haben wir ein Biokistlabo aus dem Marchfeld, so bekommen wir wöchentlich frisches Obst & Gemüse direkt vor die Haustür geliefert.

Wir essen natürlich auch Eis, wir essen Schokolade und wir essen Burger. Verzicht sieht für mich wirklich anders aus!

Bist du noch da?

Wenn du tatsächlich bis hierher gelesen hast, dann freue ich mich riesig über deine werte Aufmerksamkeit bis zum süßen Ende dieses langen Blogeintrags.

Meinen nicht-veganen Leser:innen hoffe ich hiermit Mut gemacht zu haben vielleicht ein neues Rezept oder Produkt auszuprobieren. Dich zu informieren! Nachzufragen! Mitzudiskutieren! Zu kosten! Probier aus! Bleib neugierig! Nicht hinter Vorwänden verstecken und denken “ich will es gar nicht wissen”.

Und ganz wichtig: finde deinen eigenen Weg - Babysteps oder der Sprung ins kalte Wasser, alles ist erlaubt. Hauptsache du beginnst und bleibst in Bewegung bis du am Ziel bist.

Nun kennst du meine Geschichte und ich freue mich über noch viel mehr persönlichen Stories und veganen Werdegängen in den Kommentaren!


HAPPY WORLD VEGAN DAY!

Ich werde mich niemals dafür schämen für Tiere Emotionen zu zeigen, für sie zu sprechen und Partei zu ergreifen. Jede Kreatur hat das Recht auf ein friedliches Leben ob Mensch, Hund, Schweinchen oder Fliege!

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